19. Oktober 2020

Vom (Boden-)Leben in unserer Nachbarschaft

Könnt Ihr Euch an Juchowo erinnern, das Dorf in Polen, das dank einer Stiftung zu einem einzigen, großen Demeter-Projekt wurde, einem der größten in ganz Europa?
Derjenige, der das alles mit aufgebaut und die landwirtschaftliche Leitung hatte (für fast 2000 ha Fläche), das war Sebastiaan Huisman, Demeter-Fachmann und Boden-Experte.

Sebastiaan Huisman

„Zu Beginn in Juchowo“, erzählt Sebastiaan, „war der Boden trocken und komplett ausgelaugt mit zum größten Teil unter einem Prozent Humusgehalt. Angefangen haben wir damit, die Chemie des Bodenlebens wieder herzustellen durch Kalkungen und das Hinzufügen von Spurenelementen. Danach haben wir uns der Bodenphysik gewidmet, haben Verdichtungen aufgehoben und Luft zugeführt. Gleichzeitig wurde begonnen, Kompost herzustellen, um auch die Mikrobiologie des Bodens wieder zu beleben und damit dann die Bodenfruchtbarkeit aufzubauen.” Ebenfalls von Beginn an wurde die Gestaltung der Wasserlandschaften auf den Flächen des Projektes geplant. Das ursprünglich viel zu tief verlegte Drainagesystem wurde untiefer verlegt, um einer weiteren Austrocknung der Landschaft entgegenzuwirken. Bereits die Hälfte der 40 km geplanten, zum großen Teil nahrhaften Hecken wurden gepflanzt – für eine gesunde Biodiversität und zum Schutz vor Wetterextremen. Mit Hilfe dieser umfangreichen Maßnahmen erholte sich der Boden nach und nach und wurde innerhalb von 8 bis 10 Jahren wiederbelebt.

Im Wendland sieht es zwar landschaftlich anders aus, aber der Zustand, in denen sich die konventionell bewirtschafteten Böden befinden, ist dem in Juchowo ganz ähnlich, und auch um die Vielfalt der Anbaukulturen ist es nicht gut bestellt.
Im ganzen Wendland? Nein! Ein von einem unbeugsamen Grafen bewohntes Gut hört nicht auf, dieser ungesunden Landwirtschaft Widerstand zu leisten. Ok, das stimmt so nicht ganz, denn gerade im Wendland haben wir eine vergleichsweise große Anzahl von aktiven Bio-Bauern, aber dieser Satz hat ebenso Spaß gemacht, ihn zu schreiben, wie er in seinem Ansatz auch sehr richtig ist. Denn Andreas Graf von Bernstorff war es, der sich in der Anti-Gorleben-Bewegung stets unbeugsam gegenüber der Atom-Lobby gezeigt hat und nicht daran interessiert war, sein Land an eben diese zu verkaufen. Heute ist es sein Sohn Fried, der sich der ökologischen Land- und Forstwirtschaft verschrieben hat und seit einigen Jahren schon die Gräflich Bernstorff’schen Betriebe leitet – mit viel Leidenschaft, Offenheit für Neues und einer seit zwei Jahren neuen landwirtschaftlichen Leitung: Sebastiaan Huisman.

Fried Graf von Bernstorff

So klein ist die Welt!

Fried und Sebastiaan sind ein tolles Team, die mit einem geschulten Blick auf Ökologie und Nachhaltigkeit mit ihrer Landwirtschaft neue Wege gehen. Schon sind die ersten Heckenmeter und Wasserlandschaften auch fürs Wendland geplant, ist Kompost angehäuft und werden biodynamische Präparate hergestellt.  Auch Versuchen bieten die Bernstorff’schen Betriebe gerne Grund und Boden: auf einem ihrer Felder entstand in Zusammenarbeit mit Christina Henatsch und der Bingenheimer Saatgut AG ein Versuchsfeld für samenfeste Möhrensorten. Hier strahlen Kraut und Rüben um die Wette.
Warum es hier nach Kraut und Rüben aussieht? – Das erklärt uns Sebastiaan: „Bei uns wird nach Wiederherstellung der ursprünglichen Bodenphysik nicht mehr gepflügt. Die Natur würde den Boden niemals auf den Kopf drehen. Damit würde sie seine natürliche Lebendigkeit zerstören. Wir gehen daher sehr sanft und achtsam mit unserem Boden um, um das Bodenleben zu schonen. Wir pflanzen Stickstoff-bindende Pflanzen, so zum Beispiel Klee. Stickstoff ist wichtig für den Boden, kann aber nur gebunden werden, wenn der Boden auch lebendig ist und genügend Sauerstoff in sich trägt.
Auch wird in der gesamten 7-jährigen Fruchtfolge nur ein einziges Mal das Stroh abgeerntet. Das ist gut für den Boden –  und somit auch für uns. Alle Lebensmittel wachsen am besten in einer lebendigen Landschaft.“

Auch die Möhrenernte in diesem Jahr gibt dem Konzept von Sebastiaan und Fried recht: Prächtig gewachsen und vital im Geschmack sind sie, die samenfesten Möhren. Warum nicht nur wir, sondern auch Sebastiaan auf samenfestes Gemüse setzt? Das erklärt er mit einer einfachen Gegenfrage:

„Ein Lebensmittel, das sich nicht vermehren kann (Hybridgemüse), wie soll das dann nahrhaft Leben spenden?“

Wir fühlen uns hier auf den Gräflich Bernstorff’schen Betrieben verstanden – und kommen schon bald wieder her, um beim Abfüllen des biodynamischen Hornmists zu helfen, einem der Demeter-Präparate für die Bernstorff’schen Felder in unserer direkten Nachbarschaft.

 



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